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Unerfüllter Kinderwunsch: wegen Stress?

Gleich vorneweg: dass psychologische Faktoren wie «Stress» oder «unbewusste Konflikte» die Fruchtbarkeit vermindern, ist wissenschaftlich nicht bestätigt.


Bild: shutterstock.



Obwohl diese Annahme sehr beliebt ist. Sowohl in der Ratgeberliteratur für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, als auch bei vielen psychosozialen und medizinischen Fachkräften. Dieses Konzept spielt «aus wissenschaftlicher Perspektive nur noch eine periphere Rolle und ist von daher mittlerweile als Mythos zu bezeichnen», schreiben T. Wischmann und Autoren in ihrem Fachartikel «Psychogene Infertilität – Mythos und Patientenstigmatisierung».


Es gäbe keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen psychischem Stress und Infertilität, wenn man die methodisch anspruchsvollen neueren Studien auswerte, beschreiben Wischmann und Autoren (2020).


In einer Übersichtsstudie (Bolvin et al., 2011) mit insgesamt 3583 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch kamen die Autoren zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine erfolgte Schwangerschaft oder eine ausbleibende Schwangerschaft nicht mit emotional belastendem Stress vor Behandlungsbeginn zusammenhing (Wischmann et al., 2020).


Zudem gibt es „noch einen weiteren Grund, Abschied zu nehmen von manchen psychodynamischen Verursachungshypothesen: Betrachtet man sie genau, sind sie oft in einer subtilen Art frauen- und sexualfeindlich und passen damit nicht mehr in die heutige Zeit“ (Rohde & Dorn, 2007, S.6).


Wenn wir etwa hören «sie müsste vielleicht beruflich etwas kürzer treten, dann würde das sicher eher klappen» dürfen wir das also gerne so einordnen: Dafür, dass Frauen beruflich kürzer treten sollten, um schwanger zu werden, gibt es keine Belege. Und solche Annahmen verstärken klischierte Rollenbilder, können einengen und zusätzlich belasten. Auch wenn die Aussage meist gut gemeint ist.


Was Befunde aber zeigen: es gibt Verhaltensweisen, die das Schwanger werden erschweren können («verhaltensbedingte Fertilitätsstörung»). Damit ist gemeint, «wenn ein Paar trotz Kinderwunsch und ärztlicher Aufklärung weiter fertilitätsschädigendes Verhalten praktiziert, etwa im Sinne von gestörtem Essverhalten, Hochleistungssport, Genuss- und Arzneimittelmissbrauch, bzw. […] keinen Geschlechtsverkehr an den fruchtbaren Tagen praktiziert […]. (Wischmann et al., 2020). Natürlich bedeutet das umgekehrt nicht, dass in jedem Fall von unerfülltem Kinderwunsch solches Verhalten besteht.


Wichtig: ein unerfüllter Kinderwunsch wird aber von vielen Paaren und Individuen als Stress wahrgenommen und gilt als «critical life event», also als ein belastendes Lebensereignis. Das kann sehr belastend sein. Wenn das so ist, kann es auch sehr sinnvoll sein, eine spezialisierte therapeutische Begleitung in Anspruch zu nehmen. Nicht, um die Fruchtbarkeit zu erhöhen. Aber die Lebensqualität.



Quellen:


Wischmann, T., Schick, M. & Ditzen, B. (2020). Psychogene Infertilität – Mythos und Patientenstigmatisierung. Gynäkologische Endokrinologie, 18, 140–147. https://doi.org/10.1007/s10304-020-00326-x


Boivin, J., Griffiths, E. & Venetis, C.A. (2011). Emotional distress in infertile women and failure of assisted reproductive technologies: meta-analysis of prospective psychosocial studies. The Britisch Medical Journal, 342. BMJ342:d223. https://doi.org/10.1136/bmj.d223


Rohde, A. & Dorn, A. (2007). Gynäkologische Psychosomatik und Gynäkopsychiatrie. Stuttgart: Schattauer.

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Linda Rasumowsky

Gründerin mentalwell.mom

Den Zugang zu

psychotherapeutischer Hilfe bei Belastung rund um Mutterschaft zu erleichtern, ist meine Vision mit mentalwell.mom. 

Professionell und attraktiv.

 

Und ich setze mich dafür ein, dass wir in unserer Gesellschaft besser darüber informiert sind, welche Zusammenhänge es zwischen Bedingungen von Mutterschaft und

psychischer Gesundheit gibt.

Um die Gesundheit aller Mütter zu fördern. 

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